Wie Clara zum THW kam.

Prolog:

Du sitzt nachmittags im Auto auf dem Weg nach Hause. Während du noch über die Abrechnung des Quartals nachdenkst, hörst du im Radio folgende Meldung:

„In Radebeul hat sich am Morgen eine schwere Explosion bei einem Bäcker ereignet. Wie der Pressesprecher des Technischen Hilfswerks uns in einem Interview mitteilte, kamen dabei 7 Personen zu schaden. Alle wurden mittlerweile gerettet und befinden sich in umliegenden Krankenhäusern. Keiner schwebt in Lebensgefahr. Als Ursache wird eine Gasexplosion vermutet. Über den Schaden kann noch keine Aussage getroffen werden.“

Schade, denkst du dir, denn der Erdbeerkuchen von dieser Bäckerei da war immer fantastisch. Hoffentlich macht der Laden bald wieder auf.

 

3 Monate später

Du sitzt genervt in deinem Büro. Dein Chef häuft dich zwar mit Arbeit zu, aber nichts davon bringt wirklich Verantwortung.  Drei Ordner Lieferscheine mit den internen Aufzeichnungen abgleichen. Vielleicht ist es wichtig, aber spannend ist es definitiv nicht. Und die Kollegen machen es auch nicht besser. Die Sekretärin des Chefs, diese überhebliche Zicke, würdigt dich noch nicht mal eines Blickes. Und die Personalsachbearbeiterin ist zwar freundlich, aber mit fast 65 sehr weit von deiner Lebensrealität weg. Eigentlich hattest du dir dein Leben doch ganz anders vorgestellt. Nach deinem BWL-Abschluss wolltest du voll fett Business machen. Und was ist aus dir geworden? Sachbearbeiterin Finanzen in einer Lackiererei. Immerhin, dein Gehalt reicht gut aus, um dir deine Wohnung und deine rote Knutschkugel zu finanzieren. Aber je mehr du drüber nachdenkst, fehlt dir etwas, was dein Leben spannend, anders und außergewöhnlich macht. Eine Möglichkeit, aus deinem Hamsterrad auszubrechen. Noch mehr als 40 Jahre lang dieses Leben leben, fühlt sich für dich eher nach einem Albtraum an. Das klingelnde Telefon unterbricht deinen Gedankengang. 

Auf dem Rückweg von der Arbeit siehst du ein Werbeplakat für einen Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr. Das klingt doch nach einer Aktivität für deine Neffen, auf die du am Samstag aufpassen sollst. Die beiden werden sich bestimmt freuen.

Schon ist es Samstag, du holst deine Neffen (6 und 8 Jahre) bei deiner Schwester ab. Stürmisch wirst du schon an der Tür begrüßt: „Hallo Tante Clara, was machen wir heute Schönes?“ Dein Vorschlag mit dem Tag der offenen Tür kommt gut an. Eine halbe Stunde später seid ihr auch schon am Rettungszentrum Radebeul West, wo nicht nur die Feuerwehr, sondern auch das THW einen Stützpunkt hat. Die Jungs sind total begeistert und probieren am Stand der THW-Jugend mehrere Spiele aus. Da der Hof sehr übersichtlich ist, beschließt du dich mal ein wenig selbst umzugucken. Nachdem der Treffpunkt und die Treffzeit drei Mal durch deine Neffen wiederholt wurden, guckst du dir zunächst ein wenig die Feuerwehrautos an. Du schlenderst weiter auf die andere Seite des Hofes zum THW. Die LKWs dort sind ein wenig größer und sehen schon recht beeindruckend aus. Du witzelst, ob die Männer dort wohl etwas kompensieren müssen und siehst dich weiter um. An einem Transporter spricht dich eine junge Frau mit roten Haaren an. Du bist überrascht, hier überhaupt eine Frau zu sehen. Sie stellt sich dir als Katharina vor und ihr kommt ein wenig ins Plaudern. Katharina arbeitet eigentlich im Einzelhandel. Aber im THW ist sie im Zugtrupp. Schnell erfährst du, dass der Zugtrupp die Einsatzleitung vom THW ist und welche Aufgaben er hat. Als Zugtruppführerin ist Katharina immerhin die stellvertretende Einsatzleiterin und trifft im Einsatz auch viele Entscheidungen. Da du mehr erfahren willst, schickst du deine Neffen noch eine Runde zu den großen Autos. Du findest immer mehr Gefallen an einer Mitwirkung im THW.  Katharina stellt dir Stefan vor. Stefan ist der Ausbildungsbeauftragte im THW Radebeul. Er erklärt dir, unter anderem, dass jeder zunächst eine Grundausbildung durchläuft, bevor er mit dem THW zu Einsätzen darf. Du beschließt, dir das Ganze noch einmal genauer anzugucken.

Einen Monat später besuchst du den Ortsverband wieder. Gleich am Eingang triffst du eine Frau, noch eine Katharina. Sie bringt dich zu Fabian. Fabian ist der Ortsbeauftragte. Er führt dich ein wenig rum. Noch am gleichen Tag unterschreibst du deinen Aufnahmeantrag.  Bald kommt auch deine Einsatzkleidung per Post. Du kannst es kaum erwarten, dass deine Grundausbildung endlich startet. Dann ist es soweit, dein erster Ausbildungsdienst steht an. Dabei lernst du auch deine Gruppe kennen. Ein bunt gemischter Haufen aus allen Schichten und Berufen. Aber alle total nett. Im Laufe des halben Jahres freundest du dich immer mehr mit ihnen an. Ihr wachst zusammen und werdet ein Team. Auch privat fangt ihr bald an, gemeinsam was zu unternehmen. Und dieser eine Typ erst… Er passt genau in dein Beuteschema. Aussehen, Charakter, einfach alles ist top. Und das Beste, er ist auch Single. Er ist zwar wo ganz anders aufgewachsen, aber ihr seid direkt auf einer Wellenlänge. Er ist ins THW eingetreten, weil er bei einer Explosion einer Bäckerei vom THW gerettet wurde. Du kannst dich daran erinnern, von dieser Explosion gehört zu haben. Ihr beginnt euch auch ohne die anderen zu treffen. Nach einem halben Jahr ist es soweit, eure Gruppe wird in einen anderen Ortsverband gefahren, um eure Grundausbildungsprüfung abzulegen. Ihr alle seid riesig aufgeregt aber ihr wisst, ihr wurdet gut ausgebildet. Bei der Prüfung müsst ihr fünft Stationen meistern. Dann kommt die große Verkündung der Ergebnisse: Ihr alle besteht! Bei der Party zurück in Radebeul küsst du ihn. Seitdem seid ihr ein Paar. 

Gemäß deinen Wünschen wirst du dem Zugtrupp zugeteilt. Dein Zuführer ist sympatisch und auch mit den anderen Mitgliedern des Teams freundest du dich schnell an. In der ersten Zeit wird dir viel neues Wissen vermittelt, aber alles, was du lernst ist irgendwie wichtig. Aber du saugst das Wissen nur so auf, denn alles ist so spannend, so anders als dein Alltag.  Spätestens nach der ersten Übung gehst du komplett in der Aufgabe auf. Du hast genau das, was du dir schon immer gewünscht hast. Verantwortung, Ziele und wichtige Aufgaben, die was bewirken. Und ganz nebenbei hast du noch einen Traumpartner gefunden. Die ersten Einsätze tuen ihr Übriges. Du siehst, was das THW alles bewirken kann. Sogar deine Freundinnen bemerken deine neue Energie und deinen neuen Schwung.

Endlich bist du wieder so wirklich glücklich.

 

Epilog:

Gut drei Jahre nach der Explosion beim Bäcker klingelt die Alarmierungsapp auf deinem Smartphone.

 

THW RADEBEUL VOLLALARM, GASEXPLOSION RADEBEUL, MEISSNER STRASSE

 

Du fährst zum Ortsverband und triffst dich dort mit deiner Gruppe. Mit Blaulicht fahrt ihr zur Adresse. Ihr seid die ersten des THWs an der Einsatzstelle. Gemeinsam mit dem Zugführer erkundet ihr den Einsatzort. Eine Fleischerei ist komplett eingestürzt. Obwohl es nicht dein erster Einsatz ist, bist du aufgeregt. Auch dein Freund ist mit im Einsatz. Gemeinsam mit Helfern anderer Organisationen rettet er Personen aus dem Trümmerhaufen. Du sitzt im Zugtruppfahrzeug und hilfst dem Einsatzleiter alles zu organisieren. Später kommt euer Öffentlichkeitsbeauftragter Lukas mit einem Kamerateam des MDR vorbei. Ihr werdet kurz bei eurer Arbeit gefilmt. Als alle Personen gerettet sind, räumt ihr auf und fahrt nach Hause. Am Abend wird im Sachsenspiegel ein Bericht über die Explosion gezeigt. Auch du bist drin zu sehen.
Als du am nächsten Tag auf Arbeit kommst, liegt ein Strauß Blumen und Schokolade auf dem Tisch. Sie sind von deinem Chef. Seine Frau war zum Zeitpunkt der Explosion in der Fleischerei und wurde vom THW gerettet. Er hat den Bericht im MDR gesehen und dich dabei entdeckt. Später kommt er noch persönlich vorbei, um sich zu bedanken.

Sein glückliches Gesicht wirst du nie vergessen.

 

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